Was hat Biodiversität mit meinem Einkauf zu tun?

Von den einst über 2.000 Apfelsorten in Deutschland sind heute nur noch wenige im Handel erhältlich. Dieses Phänomen beschränkt sich nicht auf Obst: Weltweit verschwinden Kulturpflanzen in einem rasanten Tempo. Der Grund liegt oft in unserem Ernährungssystem, das auf wenige, hochproduktive Sorten setzt – mit weitreichenden Folgen für die Artenvielfalt.
Die diesjährigen Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit (18.09.-08.10.2025) rücken das Thema „Ernährung“ in den Fokus und bieten damit den perfekten Anlass, diese oft übersehene Verbindung zu beleuchten: Wie beeinflusst unser Konsumverhalten eigentlich die Artenvielfalt – im Supermarkt, auf dem Wochenmarkt oder in der eigenen Küche?
Ernährung und Artenvielfalt – zwei Seiten derselben Medaille
Was wir täglich essen, wirkt sich unmittelbar auf die Natur aus. Landwirtschaft ist weltweit eine der Hauptursachen für den Verlust von Biodiversität. Rund 43 % der Fläche Europas wird landwirtschaftlich genutzt und 80 % der globalen Entwaldung gehen auf den Anbau von Agrarrohstoffen zurück. Intensive Landwirtschaft mit Monokulturen und dem Einsatz von chemischen Düngern und Pestiziden zerstört wertvolle Lebensräume und reduziert Nahrungsquellen für unzählige Tierarten.
Tierprodukte: Der versteckte Flächenfresser
Besonders flächenintensiv ist die Produktion tierischer Lebensmittel. In der EU wird etwa 60 % des angebauten Getreides als Tierfutter verwendet. Die Folgen sind weitreichend: Große Ackerflächen für Futterpflanzen, übernutzte Weideflächen und die Umwandlung artenreicher Ökosysteme in Monokulturen.
Warum Biodiversität für uns überlebenswichtig ist
Dabei ist Artenvielfalt keine Nebensache, sondern unsere Lebensgrundlage. Die genetische Vielfalt bei Pflanzen schützt unsere Lebensmittelversorgung vor Klimarisiken, Krankheiten und Missernten, denn alte Sorten sind oft widerstandsfähiger als moderne Hochleistungszüchtungen. Vielfältige Ökosysteme erhalten die Böden fruchtbar, reinigen unser Wasser und sichern die Bestäubung durch Insekten.
Jeder Einkauf zählt: Wie Sie zum Artenschützer werden
Die gute Nachricht: Unser Konsumverhalten beeinflusst die Produktionssysteme direkt. Jeder Einkauf ist daher wie ein Stimmzettel: Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Wer zu Bio, regional und saisonal greift, unterstützt Anbausysteme, die mehr Rücksicht auf Natur und Artenvielfalt nehmen.
Es gibt viele Möglichkeiten, Biodiversität mit dem eigenen Einkauf zu stärken:
- Mehr Pflanzen, weniger Fleisch: Orientieren Sie sich an der „Planetary Health Diet“. Diese Ernährungsweise schont nicht nur das Klima, sondern auch die Artenvielfalt.
- Biodiversitäts-Hotspots schützen: Vermeiden Sie Produkte aus Regenwaldrodung wie konventionelles Palmöl oder Soja aus Südamerika.
- Regional und saisonal einkaufen: Unterstützen Sie lokale Produzenten und reduzieren Sie Transportwege.
- Vielfalt auf dem Teller bedeutet Vielfalt auf den Äckern. Probieren Sie Urgetreide-Sorten wie Einkorn, Emmer, Khorasan oder alte Bohnensorten sowie bunte Kartoffeln. Diese erhalten die genetische Vielfalt und sind oft nährstoffreicher.
- Auf Siegel achten: Bio-Siegel, Naturland, Biokreis, Demeter, Neuland, Fairtrade und Bioland stehen für umweltschonende Produktionsweisen, die der Artenvielfalt zugutekommen.
- Insektenfreundliche Lebensmittel wählen: Kaufen Sie Honig von lokalen Imkern und unterstützen Sie den Anbau bienenfreundlicher Kulturen.
Herausforderungen meistern
Natürlich ist nachhaltiger Konsum nicht immer leicht. Bio-Produkte sind oft teurer, regionale und saisonale Produkte sind nicht überall verfügbar und die Umstellung von Ernährungsgewohnheiten braucht Zeit. Zudem sind globale Lieferketten oft schwer zu durchschauen. Dennoch lohnt sich jeder kleine Schritt. Beginnen Sie mit dem, was für Sie machbar ist – sei es der Kauf von regionalem Obst, der Verzicht auf Fleisch an zwei Tagen pro Woche oder das Ausprobieren alter Getreidesorten.
Auch die Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit bieten eine perfekte Gelegenheit, selbst aktiv zu werden. Organisieren Sie eine nachhaltige Kochaktion, nehmen Sie an einem Foodsharing-Event teil oder besuchen Sie einen Hofladen in Ihrer Nähe. Engagement für die Biodiversität ist auch im eigenen Umkreis möglich!
Engagement für Artenvielfalt – gute Beispiele aus Deutschland
Zahlreiche Initiativen zeigen, dass sich mit gemeinschaftlichem Engagement viel bewegen lässt. Ein prominentes Beispiel ist das bayerische Volksbegehren „Rettet die Bienen“ von 2019: Mit über 1,7 Millionen Unterschriften war es das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte Bayerns. Es führte dazu, dass der Schutz von Artenvielfalt und Insekten fester im Naturschutzgesetz des Landes verankert wurde.
Auch andere Initiativen tragen dazu bei, Artenvielfalt ins Bewusstsein der Menschen zu rücken: Die Bewegung „Deutschland summt“ motiviert Kommunen, Schulen und Privatpersonen dazu, Gärten, Dächer oder öffentliche Flächen insektenfreundlicher zu gestalten. Und Organisationen wie Slow Food Deutschland setzen auf den Erhalt traditioneller Kulturpflanzen und handwerklicher Lebensmittelproduktion – damit regionale Vielfalt nicht nur auf unseren Feldern, sondern auch auf unseren Tellern eine Zukunft hat.
Stand: September 2025