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Zahl des Monats: 75 Prozent

Die Vielfalt unserer Kulturpflanzen ist in den vergangenen hundert Jahren stark zurückgegangen. Zum Anbauspektrum zählten früher eine Vielzahl an Getreiden, Bohnen- und Linsensorten, unterschiedliche Kartoffelvarianten sowie zahlreiche regionale Apfelsorten. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sind weltweit rund 75 Prozent der Kulturpflanzen bereits unwiederbringlich verschwunden. In der Europäischen Union beträgt der Rückgang sogar etwa 90 Prozent

Heute prägen nur noch wenige Hochleistungssorten die Felder und damit auch unsere Teller. Gerade einmal neun Pflanzenarten decken inzwischen drei Viertel der weltweiten Erntemenge ab, darunter Weizen, Reis und Mais. Diese Konzentration auf wenige Arten steigert zwar kurzfristig die Erträge, birgt jedoch langfristig für unsere Ernährungssysteme diverse Risiken: Landwirtschaftliche Systeme werden anfälliger für Klimaveränderungen, Pflanzenkrankheiten und Schädlingsbefall. Vielfalt wirkt hier wie eine Versicherung: Sie stärkt die Widerstandsfähigkeit von Landwirtschaft und Ernährung. 

Die genetische Diversität von Kulturpflanzen erfüllt eine wichtige Funktion für die Ernährungssicherheit. Alte Sorten sind oftmals besser an lokale Bedingungen angepasst und verfügen über Eigenschaften, die in Zeiten zunehmender Wetterextreme oder neuer Pflanzenschädlinge von großer Bedeutung sein können. Mit ihrem Rückgang gehen wertvolle Ressourcen für Züchtung und Forschung verloren. 

Doch es geht nicht nur um Stabilität, sondern auch um Kultur und Geschmack. Mit dem Verschwinden alter Sorten verlieren wir kulinarisches Erbe: traditionelle Rezepte, regionale Spezialitäten und Geschmacksvielfalt. Wer erinnert sich noch an Äpfel wie den „Kaiser Wilhelm“, an alte Linsensorten oder an Urgetreide wie Emmer und Einkorn? Viele davon werden heute nur noch von engagierten Landwirt*innen, Organisationen wie ProSpecieRara und Slow Food oder wissenschaftlichen Einrichtungen wie der Genbank des IPK Gatersleben erhalten. 

Fazit: Ein Rückgang der Kulturpflanzen um 75 Prozent bedeutet nicht nur eine geringere Auswahl im Supermarkt, sondern auch ein höheres Risiko für die Zukunft unserer Ernährung. Biodiversität trägt dazu bei, Landwirtschaft widerstandsfähiger zu machen, die Versorgung zu sichern und traditionelle Sorten sowie deren Besonderheiten zu bewahren.   


Stand: September 2025