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Faire Mode ist auch ein politisches Statement

Dr. Gisela Burckhardt ist geschäftsführende Vorstandsvorsitzende bei FEMNET e.V. Der Verein engagiert sich mit politischem Engagement, Bildungs- und Beratungsarbeit sowie einem Solidaritätsfonds für die Rechte von Frauen in der globalen Bekleidungsindustrie.

Können wir mit dem Kauf unserer Kleidung politisch Einfluss nehmen und wenn ja, wie?

Burckhardt: Jede und jeder kann durch bewusstes Einkaufen der eigenen Kleidung ein Signal geben, sowohl an die Politik als auch an die Unternehmen. Man kann gezielt Kleidung mit bestimmten Siegeln kaufen, statt Massenware bei großen Ketten zu erwerben. Billig hat seinen Preis – aber wer zahlt den? Es sind die Näherinnen in Asien und auch die Umwelt, die dort verseucht wird. Allerdings bedeutet teure Kleidung nicht im Umkehrschluss, dass sie fair und ökologisch hergestellt ist. Der Produktionsprozess für teure Marken und billige Massenware ist der gleiche, sie werden oft sogar in den gleichen Fabriken von den gleichen Näherinnen hergestellt. Nur von unabhängigen Stellen zertifizierte Ware gibt Aufschluss, wie sie hergestellt wird. Man muss unterscheiden zwischen Produktsiegeln und „Unternehmenssiegeln“ sowie zwischen ökologischen und fairen Siegeln.

Was kann man tun, wenn man einen kleinen Geldbeutel hat, modisch gekleidet sein will und Wert auf Nachhaltigkeit legt?

Burckhardt: Faire und modisch hergestellte Kleidung ist oft nicht sehr teuer. Sie ist zwar nicht so billig wie die von großen Ketten, dafür aber viel günstiger als Markenware. Dass die Letztere zu hohen Preisen verkauft wird, liegt nicht an der Produktion, sondern vielmehr daran, dass viel Geld ins Marketing gesteckt wird. Man zahlt also faktisch für die Werbung, nicht für eine bessere Bezahlung der Näherin. Trotzdem muss man nicht immer neue Waren kaufen, sondern kann Secondhand-Kleidung erwerben. Der Vorteil hier ist sogar, dass die Gifte in der Kleidung meist schon rausgewaschen sind. Secondhand-Ware gibt es online und offline, das Angebot ist riesig, weil ja die Produktion von Kleidung enorm zugenommen hat.

Was sind für Sie persönlich die größten Erfolge in den Bereichen Rechte der Näherinnen, Sozial- und Umweltstandards?

Burckhardt: Ein großer Erfolg ist der ACCORD, das Brand- und Gebäudeschutzabkommen in Bangladesch. Unter dem Druck der internationalen Öffentlichkeit erklärten sich rund 200 Markenunternehmen nach langen Verhandlungen mit Gewerkschaften und NGOs bereit, das Abkommen zu unterzeichnen. Rund 1 600 Fabriken mit über zwei Millionen Beschäftigten wurden seitdem in Hinblick auf Statik, Elektrik und Brandschutz überprüft. Der Accord ist ein Erfolg, denn er wurde zwischen Einkäufern und internationalen sowie lokalen Gewerkschaften ausgehandelt, ist gesetzlich bindend und finanziell abgesichert, mit rund 11 Millionen US-Dollar pro Jahr von 2013 bis 2018. Darüber hinaus hat das Abkommen Transparenz geschaffen: Die Namen aller Fabriken sowie der Fortschritt bei der Umsetzung der Korrekturpläne sind im Internet für jeden einsehbar.
Im Rahmen der Clean Clothes Campaign setzt sich FEMNET schon seit vielen Jahren für die Rechte der Näherinnen in Asien ein. Wir haben erreicht, dass die Näherinnen bzw. ihre Angehörigen bei großen Unfällen wie dem von Rana Plaza und Tazreen in Bangladesch von den einkaufenden Unternehmen entschädigt wurden.

Die internationale Solidarität ist ausschlaggebend. Auch Entwicklungsminister Gerd Müller wurde nach dem Unglück von Rana Plaza aktiv und hat ein Bündnis von Unternehmen, NGOs, Gewerkschaften und Standardorganisationen in Deutschland gegründet: das Bündnis für nachhaltige Textilien. Ein kleiner Erfolg besteht hier in der Gründung der Bündnisinitiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Mädchen in den Spinnereien in Südindien.