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Stricken und Häkeln im Trend – doch ist selfmade gleich nachhaltig?

Stricken und Häkeln sind insbesondere in der kalten Jahreszeit ein beliebtes Hobby. Die Auswahl an Strick- und Häkelgarnen ist groß: Von Schurwolle über Merino- und Kaschmir bis hin zu Viskose, Acryl und Polyester ist im Handel fast alles zu finden. Doch wie schneiden die verschiedenen Garne und letztendlich auch die selbstgemachten Stücke mit Blick auf Nachhaltigkeitsaspekte ab? Das schauen wir uns im Folgenden an.

Wolle, Polyester & Co. – wie werden sie hergestellt und was sind ihre Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt?

Synthetische Fasern

Den größten Anteil der weltweiten Faserproduktion machen synthetische Fasern, wie Polyester aus. Polyester und Polyacryl werden ebenso wie Kunststoffe aus Erdöl, Erdgas oder Kohle hergestellt. Insbesondere Acryl wird häufig als günstigerer Wollersatz für Stricken und Häkeln eingesetzt. Doch Polyester und Acryl sind wie andere synthetische Fasern ein treibender Faktor für die Entstehung von textilem Mikroplastik. Von der Faserherstellung über die Weiterverarbeitung bis hin zur Pflege der Kleidungsstücke – während des gesamten Lebenszyklus entsteht Mikroplastik, welches in Form von Mikrofasern in die Umwelt gelangen kann. Dort kann es zu negativen Auswirkungen für Ökosysteme und Menschen führen.

Viskose wird als halbsynthetische Faser bezeichnet und wird in der Regel aus Holz bzw. Zellulose gewonnen, das durch einen chemischen Prozess zu Garn verarbeitet wird. Es handelt sich um ein energieintensives Verfahren, das sich durch den hohen Einsatz von Chemikalien negativ auf Umwelt und Gesundheit auswirken kann.

Wolle

Die Wollindustrie ist eine der bekanntesten und ältesten Industrien zur Garngewinnung. Garne werden durch das Scheren von Schafen und dem Spinnen der Haare hergestellt. Wolle besteht in der Regel aus Schafshaar, allerdings dürfen Haare von zwölf anderen Tieren eingearbeitet werden. Dazu gehören u.a. Angora- und Kaschmirziegen, Alpakas, Biber oder Angorakaninchen. Wer sichergehen will, dass die Wolle vom lebenden Tier stammt, kann darauf achten, dass die Wolle als Schurwolle deklariert ist. Je nach Halte- und Zuchtbedingungen der Tiere kann es beispielsweise durch Überweidung zum Verlust von Lebensräumen und Bodenerosion kommen. Auch Rodungen zur Entwicklung von Weideflächen sind nicht unüblich. Insgesamt ist die Flächeninanspruchnahme der Wollindustrie im Vergleich zur Baumwollindustrie deutlich höher, obgleich auch die Baumwollproduktion nicht unumstritten ist.

Die größten Produzenten von Schafswolle sind Australien, Neuseeland, Indien und China. Tierschutzorganisationen beklagen die teilweise schlechten Bedingungen in puncto Tierhaltung. Insbesondere Australien ist aufgrund des noch heutzutage betriebenen Mulesing bei Merinoschafen in der Kritik. Bei Merinowolle, die das GOTS Label trägt, ist von Mulesing-freier Wolle auszugehen, es sei denn, die Wolle kommt aus Australien

Arbeitsbedingungen in der Garnproduktion

Es ist davon auszugehen, dass die Garn- und Textilindustrie in Bezug auf Arbeitsbedingungen ähnlich unzureichende Zustände aufweisen. Die Arbeitsbedingungen im Textilsektor der Hauptexportländer sind geprägt von mangelnder Arbeitssicherheit, Zwangsarbeit, fehlender Arbeitszeitbeschränkungen, Löhnen unter den Mindestlöhnen und unzureichend ausgestatteten Unterkünften. So wurden in Indien und Pakistan in den letzten Jahren Untersuchungen an verschiedenen Arbeitsstätten durchgeführt. Die dort aufgefundenen Arbeitsbedingungen haben in mehrerer Hinsicht die internationalen Menschenrechtsstandards nicht eingehalten.

Nachhaltigere Ansätze & Tipps

  • In Deutschland werden Schafe und Ziegen häufig zur Landschaftspflege eingesetzt. Die vierbeinigen Landschaftspfleger halten ökologisch wertvolle Flächen frei von Verbuschung und fördern somit die Biodiversität. Die Wolle kann hierbei eher als Nebenprodukt angesehen werden. Auch wenn diese Wolle häufig nicht über optimale Eigenschaften zur Garngewinnung verfügt, gibt es mittlerweile immer mehr Produkte und Hersteller*innen, die genau auf diese Wolle setzen. Denn hierbei werden meist kleine Schäfereien und Landwirtschaftsbetriebe unterstützt, die eine extensive Tierhaltung betreiben.
  • Vorreiter in der Viskose-Produktion ist die sogenannte „Lenpur“-Viskose, die ohne chemische Zusätze und aus dem Rückschnitt von Bäumen entsteht und somit auf die Rodung ganzer Bäume verzichtet. Auch Bio-Baumwolle, Leinen, Sojaseide, Sisal, Jute, Abaca, Kokos und Hanf sind natürliche Produkte, die geringe Umweltauswirkungen aufweisen.
  • Bei der Verarbeitung, Reinigung und Färbung von Garnen werden häufig gesundheits- und umweltbelastende Chemikalien verwendet. Verbraucher*innen können hier auf das Siegel des Blauen Engel achten. Bei Produkten mit diesem Siegel wurde während der Produktion auf die Verwendung von gesundheits- und umweltschädlichen Substanzen verzichtet.
  • Der Markt und die Nachfrage für Recycling-Garne wachsen stetig. Recycelte Garne werden durch die Wiederaufbereitung gebrauchter Fasern hergestellt. Recycling-Garne müssen nicht zwingend aus tierischen, oder pflanzlichen Textilfasern hergestellt werden, sondern können beispielsweise auch aus anderen Materialien wie PET-Flaschen gewonnen werden. In der Regel sind die recycelten Fasern von geringerer Qualität, weshalb oftmals Frischfasern beigemischt werden. Bei der Produktion von Recyclingfasern sind die CO2-Emmission und der Wasserverbrauch in der Regel deutlich geringer.
  • Neue und innovative Garne drängen auf den Markt. Eines davon ist die sogenannte Chiengora-Wolle, welche aus der ausgebürsteten Unterwolle von Hunden hergestellt wird und von der Textur an Angora oder Kaschmir erinnert. Bei den Tieren handelt es sich um Haustiere, deren Haare über Tierbesitzer*innen, Züchter*innen, Hundesalons oder Tierheime an bezogen werden. Bislang handelt es sich hierbei jedoch noch um einen Nischenmarkt.
  • Das nachhaltigste Garn ist das, was schon gekauft wurde. Auf Second-Hand Plattformen lassen sich viele Garne finden von Menschen, die ihren Handarbeitsbestand aussortieren. Dort kann hochwertiges Garn zu günstigeren Preisen gekauft werden.
  • Siegel geben Orientierung beim Kauf – die nebenstehenden verifizierten Siegel verfügen über Standards für eine nachhaltigere Woll- und Faserindustrie.

Stand: Januar 2024