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Gärtnern für mehr Nachhaltigkeit und Artenvielfalt

Thomas Wagner ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. (BDG). Zu den Aufgaben des BDG gehören die Förderung der Kleingartenkultur sowie die Stärkung des Umwelt- und Landschaftsschutzes in Deutschland.

Inwieweit trägt urbanes Gärtnern zur Nachhaltigkeit bei?

Roof Gardening, Vertical Green, Indoor Greening: Lauter Trendbegriffe, die sich erst einmal gut anhören. Aber muss das wirklich sein? Sinnvoll ist es, das Grün dort zu lassen, wo es hingehört – auf dem Boden! Sicherlich macht jede Form öffentlichen Grüns Städte lebensfreundlicher. Echte Kontrapunkte sind urbane Gartenprojekte oder Kleingärten aber nicht auf Dächern, in Kisten, Kübeln, oder Hochbeeten, sondern auf der Bodenoberfläche. Dort verhindern sie die weitere Erhöhung des Flächenversieglungsgrades und geben dem Boden seine ursprünglichen Funktionen zurück, nämlich als Klimaschützer, Wasserspeicher, Nahrungsquelle sowie als Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Zudem sind urbane Gärten multikodierte Räume und leisten einen Beitrag zur Stadtnatur. Sie tragen zu mehr Umweltgerechtigkeit bei, bieten Umweltbildung für Kinder und Jugendliche, sind Nachbarschaftstreff, Spielplatz und Naherholungsgebiet zugleich.

Wie trägt naturnahes Gärtnern zu Biodiversität bei?

Naturnahes Gärtnern funktioniert nicht nach einem „Schema F“, Pflege- und Gestaltungsmaßnahmen orientieren sich am individuellen Charakter der verschiedenen Gärten, Kleingärten und ihrer Umwelt. Für Hobbygärtner*innen bedeutet dies ein gewisses Maß an Handarbeit, die man aus Freude am Garten und an der Natur gerne in Kauf nimmt. Im Gegensatz zum Erwerbsanbau ist der Anbau im eigenen Garten unabhängig von Vermarktungsvorschriften und dem Druck, Höchsterträge zu erzielen. Mängel bei der äußeren Qualität spielen eine viel geringere Rolle und es lässt es sich einfacher mit Schädlingen und Krankheiten leben, was naturnahes Gärtnern erleichtert.

Durch den Anbau regionaltypischer Arten und Sorten leisten Gärtner*innen einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt – und sollten darin bestärkt werden. Mit jeder alten Obst- oder Gemüsesorte, die in (Klein-)Gärten, in Kübeln und Balkonkästen gedeiht, wird nicht nur die genetische Vielfalt, sondern auch ein Stück Kulturgut der Menschheit bewahrt.

Welche Tipps haben Sie für eine gute Nutzung des eigenen Gartens oder Kleingartens im Sinne der biologischen Vielfalt?

Der eigene Garten ist ein Mini-Ökosystem und man selbst ein Teil davon. Gärtner*innen können der Natur Raum zur Entwicklung geben, sollten aber auch lenkend eingreifen, sofern dies notwendig wird. Wer die Pflanzen wachsen lässt, wie sie wachsen wollen, lernt schnell die unbarmherzige Seite der Natur kennen. Im Pflanzenreich herrscht ein ständiger Kampf um Licht, Luft, Wasser und Nährstoffe. Jedes Wildkraut, jeder keimende Laubbaum, aber auch jede Kulturpflanze wird zum Unkraut, wenn sie an unerwünschter Stelle und in Konkurrenz zu den eigenen Zöglingen steht. Ein bedachtes Eingreifen ist daher sinnvoll, zumal wir in einer vom Menschen geprägten Kulturlandschaft leben, in der der Garten ein besonders künstliches Gebilde ist. Wenn der Mensch den Nährstoffkreislauf der Natur durch Entnahme von Erntegut unterbricht, muss er ihn auch wieder schließen, zum Beispiel durch Kompost, Gründünger, Mulch oder Pflanzenjauchen. Der Mensch schafft im Garten einen Grad an Pflanzendiversität, wie sie die Natur an einem Standort niemals zustande bekäme. Gärten und Kleingärten haben daher ein großes Potenzial für die gesamte biologische Vielfalt, die nicht nur seltene Gewächse wie Knabenkraut und Natternkopf, sondern auch die Sortenvielfalt bei Kulturpflanzen umfasst.