Man muss den eigenen Müll kennen
Stefanie Kießling und ihre Familie starteten 2014 ihr eigenes Zero-Waste-Projekt: ein Jahr ohne Müll.
Was als Selbstversuch, inspiriert durch das Buch „Zero Waste Home“ von Bea Johnson, startete, wurde zu einem Lebensstil. Die Umstellung von einem durchschnittlichen Familienhaushalt zur „Zero Waste Family“ dokumentierten die Kießlings in ihrem Blog. Am Ende des Jahres war die Mülltonne zwar noch nicht vollkommen überflüssig, Müllvermeidung aber eine so feste Routine geworden, dass die Kießlings dabeiblieben. Wir sprachen mit Stefanie Kießling über ihre Erfahrungen.
Wie politisch ist der eigene Müll?
Kießling: Teils ist er sehr politisch und teils weniger. Der viele Müll ist ja nur ein politisches Thema, weil wir zu Hause zu viel produzieren. Schließlich steuern wir mit unserem Einkaufsverhalten das, was uns die Firmen anbieten. Wenn wir immer wieder auf verpackte Dinge zugreifen, weil wir beispielsweise unsere Tasche zum Einkauf nicht mitnehmen, dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn immer mehr Güter verpackt angeboten werden. Daher ist es schon so, dass jeder von uns bereits mit seinem Einkauf „wählen“ kann. Später stößt man dann aber auch an Grenzen und braucht die Unterstützung der Politik, die den Firmen eigentlich vorschreiben müsste, dass sie anders wirtschaften sollten. Das tut die Politik teilweise auch schon, beispielsweise mit der „VerpackV“, die besagt, dass Hersteller nur das, was an Verpackung tatsächlich nottut, nehmen sollen. Solche Verordnungen können aber nur ein Hilfsmittel sein. Trotz aller politischen Stellschrauben ist letztendlich der Verbraucher gefragt, der seine Lebensmittel mehr wertschätzen muss.
Was empfehlen Sie Lesern als erste Schritte in ein müllreduziertes Leben?
Kießling: Nur wenn man seinen Müll kennt, kann man ihn reduzieren oder vermeiden. Hat man vor allem Plastikverpackungen in der Tonne, dann rate ich, dass man eigene Gefäße oder Tüten und Taschen zum nächsten Einkauf mitnimmt und schaut, was man vielleicht unverpackt kaufen kann. Dafür muss man evtl. mit liebgewonnenen Routinen brechen und fortan in einem anderen Geschäft einkaufen. Das kann, wenn man weiter draußen wohnt, natürlich kompliziert sein. Aber auch in herkömmlichen Supermärkten sind die Möglichkeiten und Angebote sehr unterschiedlich. Mit ein wenig Erfahrung bilden sich dann neue Routinen, die einem die Umstellung vereinfachen. Für meinen Einkauf radele ich inzwischen meist nur ein bis zwei Geschäfte pro Woche an.
Ein weiterer Schritt wäre Kompostieren. Hat man einen eigenen Kompost? Bietet der eigene Landkreis eine Biotonne an?
Stichwort „wiederverwendbare Dinge“: Nutze ich viel Frischhaltefolie für frische Lebensmittel? Diese kann ich ja auch einfach durch einen Teller, mit dem ich mein Essen abdecke, ersetzen.
Allem voran gilt, dass man beim Einkauf auf Nachhaltigkeit setzt. Als Faustregeln helfen beim Einkaufen ein paar Fragen: Ist das lange haltbar? Kann ich das reparieren? Kann ich etwas recyceln? Gibt es das gewünschte Produkt aus besseren Materialien zum Beispielen aus nachwachsenden Rohstoffen anstatt Kunststoff? Kann ich Kleidung Secondhand kaufen? Kann ich mir Haushaltsgeräte oder Werkzeug leihen? Und vor allem: Brauche ich das überhaupt dauerhaft?
Inwieweit hat die Müllreduzierung Ihr Leben positiv bereichert?
Kießling: Ich muss mir heutzutage um Müll kaum Gedanken machen und nur noch selten zum Wertstoffhof fahren. Ein Besuch des Wertstoffhofes ist immer zeitraubend, da die unterschiedlichen Stoffe hier auf diverse Tonnen und Container verteilt werden müssen: Plastikfolien großer als DIN A4, Folien kleiner als DIN A4, Polyethylen, Polypropylen, Joghurtbecher, Getränkekartons usw. Das raubt Zeit, und mit Baby auf dem Arm und Kleinkind an der Hand hat man dann kaum noch eine Hand frei zum Sortieren.
Die bewusste Umstellung sorgt dafür, dass ich mich viel weniger von Werbung verführen lasse. Ich schaue nur noch nach dem, was ich wirklich brauche. Dadurch landen viel weniger Dinge in meinem Einkaufswagen. Auch die Zahl der Lebensmittelabfälle kann man deutlich reduzieren, wenn man sich „Zero Waste“ als Ziel nimmt. Das alles führt dazu, dass ich beim Einkaufen viel Geld spare. Dieses Geld nutze ich, um bei dem, was ich kaufe, auf Bio-Qualität zu achten.
Das meiste, was ich heutzutage noch (neu) kaufe, sind tatsächlich Lebensmittel oder Nachfüller für Hygiene-Artikel. Nachfüllen kann ich in Unverpacktläden. Dadurch vermeide ich neuen Verpackungsmüll, da ich meine eigenen Behälter mitbringe, beispielsweise für Geschirrspülmittel.