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Stadt vs. Land: Wo lebt es sich nachhaltiger?

Die Frage ist komplex, da die Grenzen zwischen Stadt und Land längst nicht klar zu ziehen sind: Stadt- und Trendforscher:innen sprechen von urbanen Dörfern, der „Verstädterung“ des Landes oder der „Verdörflichung“ der Stadt, die sich unter anderem in einem wachsenden Interesse urbaner Bevölkerungsgruppen an Nachbarschaft, Urban Gardening und Entschleunigung ausdrückt.

Aber auch darin, dass das Leben auf dem Land durch Digitalisierung, Pendelmodelle und Austausch viel weniger isoliert ist als noch vor einem Jahrhundert. Wir nähern uns der Frage schlaglichtartig mit Blick auf die Bereiche Wohnen, Mobilität sowie Einkaufs- und Kulturangebot, um die Vorstellungen vom ländlichen Idyll und verdichteter Großstadt zu erweitern. 

Wohnen

In der Regel sind Wohnungen in Städten kleiner als auf dem Land und verbrauchen so weniger Ressourcen, beispielsweise für das Heizen. Oftmals ergibt sich so pro Person in der Stadt ein im Schnitt geringerer Flächen- und Energieverbrauch. Der NABU problematisiert, dass in Deutschland insgesamt zu viel Fläche neu bebaut wird und spricht sich für Mehrfamilienhäuser und innerstädtische Verdichtung statt Einfamilienhaus und Neubebauung am Stadtrand aus. Heute finden sich in vielen Städten Förderprogramme für klimaneutrales Wohnen und es bestehen seit Jahrzehnten urbane Leuchtturmprojekte, etwa das Kulturzentrum Ufa-Fabrik in Berlin mit seinem aus Photovoltaikanlage und Dachbegrünung symbiotisch erzeugten Solarstrom. In ländlichen Regionen werden parallel sogenannte digitale Orte gefördert, die häufig Wohnen, Co-Working und ökologische Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden versuchen. 

Mobilität

Grundsätzlich bieten Städte durch stärkeren öffentlichen Nahverkehr und kürzere Anfahrtswege zu Arztpraxen oder Einkaufsoptionen mehr Chancen, nachhaltig mobil zu sein als ländliche Regionen. Bei der Planung städtischer Quartiere spielt die Mobilität mittlerweile eine wichtige Rolle. Häufig wird das Konzept der „Stadt der kurzen Wege” verfolgt und nachhaltige Mobilitätskonzepte werden bereits bei der Planung integriert. Bezogen auf den PKW-Besitz sind regional deutliche Unterschiede zu erkennen: Die PKW-Dichte ist in den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin mit 337 Autos auf 1000 Berliner*innen am geringsten. Die höchste PKW-Dichte finden wir im Saarland mit 632 Autos auf 100 Personen, dicht gefolgt von Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg (Stand: 2021).  

Doch es entwickeln sich auch außerhalb von Städten innovative Mobilitätskonzepte: Neben selbstorganisierten Bürgerbussen fördern manche Gemeinde, etwa in Niedersachsen und Brandenburg, das Revival des Trampens in Form von beschilderten Mitfahrbänken, auf denen Reisende komfortabel auf Abholung in den Nachbarort warten können. 

Einkaufs- und Kulturangebot

Eng verbunden mit der Mobilitätsfrage ist die der Versorgung mit Lebensmitteln und Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Der urbane Reichtum an kulinarischer und kultureller Infrastruktur ist bekannt, doch auch in ländlichen Gegenden gibt es Trendentwicklungen: Manche Dörfer wehren sich aktiv gegen die Schließung von immer mehr Geschäften und revitalisieren beispielsweise ihren Dorfladen, so in einem hessischen Dorf in Form einer Genossenschaft. In punkto Kulturförderung für ländliche Regionen hat die Bundesregierung das Programm „Zusammen gestalten – Strukturen stärken“ aufgelegt, das bis 2030 insgesamt 69 Millionen Euro zur Verfügung stellt, um dem Gefälle bei der Vielfalt kultureller Angebote entgegenzuwirken. So müssen Menschen nicht erst in Städte fahren, um Kunst und Kultur zu genießen. 

Dennoch finden sich insgesamt viele neue kulturelle Entwicklungen und Angebote, sei es das vegane Restaurant oder der Fair Fashion Showroom, zunächst in größeren Städten wieder. 

Aus Nachhaltigkeitsperspektive sind Stadt und Land aber letztlich untrennbar miteinander verknüpft und voneinander abhängig, und das über Staatsgrenzen hinweg: Ohne große „ländliche“ Nutzflächen zur Versorgung können Ballungszentren nicht existieren und globale Lieferketten verbinden die unterschiedlichsten Orte miteinander. Wer diese Wechselwirkungen versteht, kümmert sich in Stadt und Land um seine Umgebung und die täglichen Gewohnheiten, anstatt Menschen aufgrund ihres Wohnortes bestimmte Werthaltungen zu unterstellen. 


Stand: September 2023