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„Zusammen ist man weniger allein“

Zur Verantwortung der Verbraucher*innen für Klimaschutz. Ein Gastbeitrag von Dr. Viola Muster

Dr. Viola Muster ist Projektmanagerin Verbraucherforschung bei ConPolicy – Institut für Verbraucherpolitik. Sie lehrt und forscht seit über 10 Jahren zu nachhaltigem Konsum und Verbraucherverhalten.

Der Einzelne kann eh nichts ausrichten. Dies ist eines der häufigsten Argumente gegen klimafreundliches Konsumverhalten. Immerhin leben in Deutschland knapp 83 Mio. Menschen, die essen, heizen und sich fortbewegen. Was also kann ein einzelner Mensch, ein Dreiundachtzigmillionstel ausrichten? Warum soll der*die Einzelne verzichten, wenn die anderen weitermachen wie bisher?

Die häufigste Antwort auf diese Fragen lautet wohl: Weil es eben auf jeden Beitrag ankommt und die einzelnen zusammen viele sind. Eine andere Antwort könnte aber auch lauten: Weil wir keine bessere Lösung haben. Es wäre doch so viel einfacher, wenn es nicht auf die Einzelnen ankäme. Aber wie soll das gehen?

Politik trägt zentrale Verantwortung

Es bestreitet niemand mehr, dass Politik eine zentrale Verantwortung für Klimaschutz trägt. Ohne ambitionierte Klimaschutzstandards, den schnellen Ausstieg aus fossilen Energien und deutliche Preissteigerungen für Emissionen wird es nicht gelingen, der Erderwärmung Einhalt zu gebieten. Und klar ist auch, dass Unternehmen einen ungleich größeren Beitrag als Verbraucher*innen leisten sollten, um Technologien und Produkte für Klimaneutralität bereitzustellen. Je größer die Handlungsfreiheit, desto größer ist auch die Verantwortung für Klimaschutz. Dieser Grundsatz gilt unbedingt.

Nur: Auch Nationalstaaten und Unternehmen argumentieren oft ähnlich wie einzelne Konsument*innen. Sie verweisen auf andere, die ebenfalls nichts oder zu wenig tun. Sie betonen ihre ökonomischen Zwänge und ihre begrenzten Handlungsmöglichkeiten: Globalisierung, Kapitalmarkt, Wachstum, […].

Politik und Wirtschaft schaffen es nicht allein

Am Ende kommen meist Maßnahmen heraus, die eben allein nicht ausreichend sind, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Demokratisch gewählte Regierungen stehen zudem vor der Herausforderung, dass sie weitreichende Klimaschutzmaßnahmen ohne die Akzeptanz und Veränderungsbereitschaft der Wähler*innen nicht erfolgreich umsetzen können.

Staaten und Unternehmen sind daher auf die klaren Signale und das engagierte Mitwirken der Menschen als Bürger*innen und Konsument*innen angewiesen. Klimaneutralität und eine nachhaltige Entwicklung werden nur im engen Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gelingen. Niemand kann sich herausnehmen – auch der*die Einzelne nicht.

Schluss mit Moral und Gedöns

Persönlicher Klimaschutz und gesellschaftliches Engagement gehen Hand in Hand, wenn der eigene CO2-Fußabdruck so weit wie möglich reduziert und gleichzeitig andere dabei unterstützt werden, Klimaschutz ernsthaft umzusetzen – in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz oder in einer Umweltorganisation. Zusammen sind wir weniger allein.

Wer zustimmt, dass Klimaschutz existenziell wichtig ist, stellt auch, aber eben nicht nur politische Forderungen, sondern handelt selbst im Rahmen seiner*ihrer Möglichkeiten. Und das ist verdammt schwer, ja. Denn es geht nicht um die Ökobilanz von einzelnen Avocados und Waschnüssen, sondern um veränderte Alltagsroutinen und Investitionsentscheidungen: Autofahren, Fliegen, Heizen, tierische Produkte. Diese sogenannten Big Points für einen klimafreundlichen Konsum sind mittlerweile vielen bekannt. Jede*r kann selbst zur Veränderung beitragen, die er*sie in der Welt sehen will. Denn eine bessere Lösung haben wir nicht.


Zwei weitere Gastbeiträge zum Thema:

Was können Einzelne bewirken? – Dr. Laura Sprengler

Teil des System – Inga Thao My Bui